Gesellschaftsgründung in der Türkei: Die türkische GmbH und die türkische AG

11.02.2014 von

Neues Handelsgesetzbuch der Türkei ab 01.07.2012 in Kraft – Achtung Kapitalerhöhung bei GmbH und AG muss bis 14.02.2014 erfolgen

Das alte Handelsgesetzbuch der Türkei mit der Nr. 6762 wurde nach 50 Jahren ab dem 01.07.2012 durch das neue türkische Handelsgesetzbuch (Türk Ticaret Kanunu – TTK) abgelöst. Das neue Gesetz wurde bereits am 13.01.2011 als Gesetz Nr. 6102 vom türkischen Parlament verabschiedet. Es wird in der türkischen Geschäftswelt als revolutionär angesehen, weil es eine weitreichende Reform darstellt. Wesentliches Ziel dieser Reform ist die Harmonisierung mit den Anforderungen der Europäischen Union. Die Reform wirbt nämlich um Vertrauen bei internationalen Investoren. Die Türkei strebt damit auch eine Öffnung der internationalen Wirtschafts- und Handelsbeziehungen an. In diesem Blog werden wir über die wesentlichen Änderungen informieren.

Das neue türkische Handelsgesetzbuch (Türk Ticaret Kanunu – TTK) ist sukzessive in Kraft getreten, wobei die wesentlichen Änderungen seit dem 01.07.2013 gelten. Insbesondere in dem Anwendungsgesetz Nr. 6103 wurde eine Übergangsregelung geschaffen, wonach die bestehenden Gesellschaften mit beschränkter Haftung (limited sirketi) und Aktiengesellschaften (anonim sirketi) ihre Gesellschaftsverträge und Satzungen innerhalb eines Jahres seit In-Kraft-Treten, also bis zum 01.07.2013 dem neuen Gesetz anpassen müssen. Andernfalls gilt automatisch das neue türkische Handelsgesetzbuch.

Eine der wesentlichen Änderungen der Reform ist zwar, dass es nunmehr möglich ist, eine Einpersonengesellschaft sei es in Form der GmbH oder AG auch in der Türkei zu gründen. Allerdings ist das Stammkapital bzw. Grundkaptial erhöht worden. Das bedeutet, dass das Stammkapital der GmbH auf 10.000,00 TL und das Grundkapital der Aktiengesellschaft auf 50.000,00 TL angepasst werden muss. In Art. 20 des Übergangsgesetzes Nr. 6103 ist geregelt, dass diese Kapitalerhöhung bis zum Ablauf des dritten Jahres nach Veröffentlichung des neuen türkischen Handelsgesetzbuches erfolgen muss. Dies wäre somit der 14.02.2014. Andernfalls gilt die Gesellschaft zum 14.02.2014 als aufgelöst.

Das neue Türkische Handelsgesetzbuch gliedert sich in folgende Bücher:

1. Buch: Der Handelsbetrieb (Handelsrechtliche Vorschriften), Artikel 11-123,

2. Buch: Gesellschaftsrecht, Artikel 124-644

3. Buch: Wertpapierrecht, Artikel 645-849

4. Buch: Transportrecht betr. Sachen und Passagieren, Artikel 850-930

5. Buch: Seehandelsrecht, Artikel 931-1400

6. Buch: Versicherungsrecht, Artikel 1401-1520.

In diesem Beitrag werden die wesentlichen Änderungen im neuen Türkischen Handelsgesetzbuch im Allgemeinen dargestellt. In nachfolgenden Beiträgen werden einzelne Bereiche wie die GmbH nach türkischem Recht, die Aktiengesellschaft nach türkischem Recht, der Handelsvertreter nach türkischem Recht, das türkische Marken und Wettbewerbsrecht,  Fusion, Umwandlung und Aufspaltung nach türkischem Recht schwerpunktmäßig erläutert.

I. Buchführung und Wirtschaftsprüfung

Die wesentliche Änderung im neuen Handelsrecht ist unter der Überschrift Handelsbücher in § 64 des neuen Türkischen Handelsgesetzbuches geregelt. Es  handelt sich um die neuen Regelungen zu den Buchführungsstandards. Die bisherigen Bilanzregeln basieren auf türkischem Steuerrecht und unterschieden sich grundlegend von bekannten Bilanzierungsweisen nach IFRS oder deutschem HGB. Die Türkischen Standards für Rechnungslegung (TFRS) werden jetzt den internationalen anerkannten Standards für Rechnungslegung (International Financial Reporting Standards – IFRS) angeglichen. Für die kleinen und mittelständischen Unternehmen (KOBI) in der Türkei wurden am 01.10.2010 eigene Buchhaltungs-Standards (KOBI TFRS) veröffentlicht, welche am 01.01.2013 in Kraft traten. Ferner wird eine flächendeckende Prüfungspflicht für Kapitalgesellschaften insbesondere für GmbH (Limited Sirketi) und Aktiengesellschaften (Anonim Sirketi) durch akkreditierte Wirtschaftsprüfer (Yeminli Mali Müsavir veya Serbest Muhasebeci Mali Müsavir) und Prüfungsgesellschaften eingeführt. Auch diese Regelungen zur Abschlussprüfung traten zum 01.01.2013 in Kraft.

II. Neuregelungen betreffend Kapitalgesellschaften

1. Die Neuregelungen betreffen zunächst technische Novellierungen. Jede Kapitalgesellschaft wie z.B. GmbH (Limited Sirketi) oder Aktiengesellschaft (Anonim Sirketi) ist jetzt gem. Art. 1524 des neuen türkischen HGB verpflichtet, ab 01.07.2013 eine Internetseite einzurichten und dort obligatorische Veröffentlichungen bzgl. der Gesellschaft vorzunehmen.

2. Türkische GmbH (Limited Sirketi)

Bisher mußte eine türkische Limited mindestens zwei Gesellschafter haben und durfte höchsten 50 Gesellschafter haben. Das Stammkapital betrug mindestens 5.000,00 TL. Nach neuem Recht ist eine Einmann-GmbH jetzt möglich. Die Beschränkung mit 50 Gesellschaftern bleibt bestehen (Art. 573, 574). Das Stammkapital wurde auf 10.000,00 TL erhöht (Art. 585) und kann nicht mehr wie bisher in Raten eingezahlt werden (Art. 585). Die Vertretung der Gesellschaft und die Geschäftsführung war bisher durch die Gesellschafter möglich. Nach neuem Recht sind hierfür ein oder mehrere Geschäftsführer (Müdür) zu berufen. Diese können Gesellschafter oder Dritte sein. Mindestens ein Gesellschafter muss Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis haben (Art. 623).

3. Aktiengesellschaft (Anonim Sirketi – A.S.)

Während nach bisherigem Recht die Aktiengesellschaft von mindestens fünf Aktionären gegründet werden konnte, ist dies jetzt durch eine Person möglich (Art. 338). Das erforderliche Mindest-Stammkapital richtet sich nach der Satzung und beträgt mindestens 50.000,00 TL. Es ist nicht mehr erforderlich, dass die Vorstände einer Aktiengesellschaft auch gleichzeitig Gesellschafter sind.